Über das Wirken der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) im Zeitalter der Krisen und Konflikte berichtete kürzlich Ingrid-Gabriela Hoven, Management Director im Vorstand der GIZ, auf Einladung der LESE im bestens besetzten Clubraum des Hauses der Evangelischen Kirche.
Die Gesellschaft mit Sitzen in Bonn und Eschborn ist keine weisungsgebundene Behörde, sondern ein gemeinnütziges Bundesunternehmen in der privatrechtlichen Form einer GmbH. Sie hat die Aufgabe, die Bundesregierung dabei zu unterstützen, deren Ziele in der internationalen Zusammenarbeit für nachhaltige Entwicklung zu erreichen. Sie ist in 130 Ländern aktiv – davon herrschen in 72 Prozent autokratische Regierungen -, beschäftigt 25.000 Mitarbeiter und hat ein Geschäftsvolumen von vier Milliarden Euro. 40 Prozent ihres Portfolios entfallen auf den Klimaschutz. Die erstrebte Nachhaltigkeit der Entwicklung hat drei zentrale Pfeiler: Stärkung der sozialen Verantwortung, das ökologischee Gleichgewicht und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit.
Die Digitalisierung bringt, bei technischen Neuerungen nicht ungewohnt, Fluch und Segen zugleich mit sich. Während beispielsweise in Ruanda die Digitalisierung des Landes hervorragend voranschreitet, hinken andere südliche Entwicklungsländer auf diesem Gebiet weit hinterher, so dass eine neue Wohlstandsschere zu befürchten ist.
Krisen und Gewalt haben in den letzten Jahren die Zahl der fragilen Länder deutlich erhöht. Die Energiepreise sind drastisch gestiegen, der Ukraine-Krieg hat in vielen Ländern Afrikas zu einem Getreidemangel geführt, in etlichen Entwicklungsländern wird wieder mehr gehungert. Corona mag bei uns überwunden sein, für ärmere Länder gilt das nicht. Als Folge der Pandemie ist dort festzustellen, dass sich synchron sowohl die Zahl der vorzeitigen weiblichen Schulabgängerinnen als auch die Zahl der Heiraten erhöht hat. Länder leiden in verschiedenen Gebietsteilen gleichzeitig unter Überschwemmungen und Dürren. Ein Staat, der die elementaren Bedürfnisse der Menschen nach Sicherheit und Nahrung nicht gewährleisten kann, verliert in Augen deren Bewohner seine Legitimität.
Die Zahl der fragilen Länder beläuft sich inzwischen auf etwa zwei Drittel der Einsatzstaaten. Als fragil werden Länder eingeordnet, die nicht aktuell von einem Krieg oder einer Katastrophe überzogen sind, in denen aber strukturelle Schwächen Sorge bereiten, dass die staatliche Ordnung künftig auseinanderbrechen könnte. Verschlechtert hat sich in den letzten Jahren die Situation beispielsweise in Ländern wie Uganda, Ghana und Kenia, aber auch in Indien. Mit einem Drittel ihres Auftragsvolumens ist die GIZ in Ländern tätig, in denen eine geordnete staatliche Organisation nicht mehr besteht (failing state), sondern Gewalt, Banden und Warlords herrschen.
Frau Hoven stellte drei konkrete Handlungsansätze vor. In der Sahelzone bemüht sich die GIZ um Wasser-, Energie- und Nahrungssicherheit. Die dortigen Ressourcenkonflikte führen zu Flucht und Wanderungsbewegungen. Ein Schulungsprogramm für die Polizei in der West-Sahara hatte zum Ziel, deren geringe Akzeptanz in der Bevölkerung aufgrund von Korruption und Übergriffen in den Blick zu nehmen. Ein drittes Projekt betraf die Förderung der Landwirtschaft und des friedlichen Zusammenlebens im Irak.
Die abschließende Fragerunde geriet aufgrund des lebhaften Interesses des Publikums länger als üblich und profitierte von den ebenso kenntnisreichen wie offenen Antworten der Referentin. In Gebieten mit autokratischen Regierungen habe es der Westen nicht leicht, weil Hilfe von Staaten wie China und Russland unabhängig von moralischen Postulaten gewährt werde. Indessen sei es auch keine Lösung, ein Land zu räumen und das Feld komplett anderen zu überlassen, wenn der dortige Regierungsstil nicht zusage. Es sei zu konstatieren, dass aufgrund der aktuellen Eskalation in Palästina die Glaubwürdigkeit des Westens, dem eine doppelte Moral vorgehalten werde, in den südlichen Entwicklungsländern gelitten habe.
Die GIZ achte darauf, dass die Länder, denen geholfen werde, sich mit eigenen Anstrengungen beteiligen müssen. Die Gesellschaft sei sich auch darüber im Klaren, dass sie mit ihren Kräften allein nicht im Stande sei, die Fluchtursachen zu beseitigen und damit die Migrationsbewegungen entscheidend einzudämmen. Sie könne an manchen strukturellen Ursachen wie etwa den geringen Chancen der Länder des globalen Südens auf dem Weltmarkt nichts ändern. Aus dem IWF-Fond zur Coronahilfe seien beispielsweise zwei Drittel der Mittel an Industriestaaten geflossen. Es sei aber festzuhalten: Vor Ort wird dennoch viel Positives für die Menschen bewirkt.
Das Publikum dankte Frau Hoven mit langem Beifall für ihre Inhaltsreichen und lebhaft vorgetragenen Informationen.(E.S)